Selig, die arm sind

Gedanken zu MT 5.3 mit Hilfe von 1Kor 1,26-31

Die Bergpredigt, und dort die Seligpreisungen ist eine Stelle des Evangeliums Jesu, die häufig fehlinterpretiert wird. Teilweise, weil einzelne Sätze aus dem Zusammen­hang gerissen werden, teilweise weil sie als utopische Anweisungen für ein optima­les christliches Leben mißverstanden werden. Als Beispiel möchte ich die erste Seligpreisung betrachten.

In seinem ganzen Evangelium hat Jesus vor den Gefahren des (ungerechten) Reichtums (der einem den Blick für das Wesentliche im Leben verstellt) gewarnt. Wenn jetzt Jesus die Armen „selig“ preist, so könnte man das als Aufforderung betrachten, seinen Reichtum loszuwerden, um so das Himmelreich zu bekommen. Doch ist das wirklich so einfach?

Ein Beispiel: 

Es waren zwei erfolgreiche und daher auch reiche Ärzte. Der erste ein genialer Hirnchirurg stolperte über diese Seligpreisung und stiftete sein gesamtes Vermögen einer Wohltätigkeitsorganisation, um dann als Sozialschmarotzer vom betteln zu leben, um sich so den Eintritt ins Himmelreich zu erwirken. Ein Skalpell oder auch nur eine Verbandsbinde hat er natürlich nicht mehr angefaßt, denn er war doch ein bedeutender Hirnchirurg und hatte so etwas nicht nötig.

Der andere, ein bedeutender Schönheits-Chirurg, war sein sinnloses Leben, das Wegoperieren von eingebildeten Falten, das Absaugen des Wohlstandspecks, das Aufpumpen der Brüste der „Reichen und Schönen“ satt und beschloß daher jedes Jahr unentgeltlich 2 Monate einer Ärzteorganisation zu opfern, die in Krisengebieten Hilfe leistete. Dort konnte er endlich wieder seine Erfahrung und Kunst als Schönheitschirurg zur eigenen Befriedigung nutzen, indem er Armen, durch Krieg und Unfall verunstalteten Menschen, wieder ein lebenswertes Leben schenkte.

Soll nun der erste Arzt sich durch seine künstliche Verarmung das Himmelreich erkauft haben, während dem zweiten der Zugang, wegen seines immer noch bestehenden materiellen Wohlstandes, erschwert bleibt?

Ich glaube hier hat der erste Arzt etwas gründlich mißverstanden: Das Himmelreich kann man sich, meiner Überzeugung nach, nicht erkaufen. Auch nicht mit einer künstlichen Verarmung – ja, noch nicht einmal mit guten Werken.

Vielleich hilft es ja, den Text der Seligpreisung mal ganz genau zu betrachten. Es heißt dort: Selig, die arm sind vor Gott

Arm an was?

Und doch soll man an all diesen Dingen „Arm vor Gott“ sein, um der Seligpreisung gerecht zu werden.

Vielleicht hilft an dieser Stelle der Paulus-Brief die Seligpreisung zu verstehen. Es heißt dort unter anderem ... Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott.

Vor Gott hat nichts Bestand, worauf der Mensch stolz ist, weder Weisheit, noch Stärke, Macht oder Reichtum. Immer wird es einen Makel geben, etwas was einem erst einmal Nichtig und Unbedeutend erscheint, um den Stolz in Beschämung zu verwandeln. Und all das, worauf der Mensch so stolz war, wird zu einem Nichts (zum Windhauch wie Kohelet so schön sagt).

Der erste Arzt, der seinen Reichtum verschenkte, tat dies aus Eigennutz und ohne Liebe – und so blieb er Reich an Stolz, Reich an Eigennutz, Reich an Lieblosigkeit und wurde sogar erst einmal REICH an Armut.

Der zweite Arzt war hier deutlich ehrlicher, auch wenn er erst einmal zu seiner eigenen Befriedigung gehandelt hat. Er erkannte wie arm und sinnlos sein Leben geworden war und versucht dem entgegenzuwirken. Was daraus wird, kann nur die Zukunft zeigen.

Jetzt könnten natürlich einige Oberschlaue denken: „Wenn eh alles, was der Mensch erreicht, vor Gott nur Minderwertig ist, wozu soll ich mich dann überhaupt bemühen?“

Aber eine solche Haltung hat nichts mit einer wahren Erkenntnis von Armut vor Gott zu tun, sondern mit einem Übermaß an Bequemlichkeit und Stolz und der Tatsache daß man sein Gesicht auch vor Gott nicht verlieren will. In dieser Denkweise wird man sich nicht von Gott beschenken lassen wollen, sondern auf das nicht vorhandene Recht als armes, mißverstandenes Opfer pochen – und vermutlich scheitern.

Selig wäre somit, wer sich in Demut vor Gott als arm und fehlerhaft empfindet und bereit ist, sich von Ihm (ohne auf eigenem Verdienst zu pochen) beschenken zu lassen.

 

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